Die Inseln Südostasiens und Neuguinea waren besondere Orte, da sich bei den heute dort lebenden Menschen mehr Urmenschen-DNA im Genom findet als anderswo auf der Erde (REICH at al. 2011). Hierzu gehören auch die Denisova-Gene, welche auch bei “Negriten“ auf den Philippinen gefunden wurden. Im Fazit der Erkenntnisse der Wissenschaft stammen diese Negrito
-Völker von australoid-melaniden Siedlern Austronesiens ab oder bilden eine frühe Abspaltung von den ersten Afrikanern, die aus Afrika kommend schließlich als erste Menschen Indien und die Andamanen besiedelten, sowie sich nach Südostasien und Ozeanien ausbreiteten. Forschungen belegen, dass die Negritos, die zu den wenigen noch existierende Altvölker
unserer Erde gehören, bereits seit über 27.000 Jahren in der philippinischen Inselwelt ihre Heimat hatten. Mit dem Eindringen protomalaiischer Völker vom asiatischen Festland vor 2.500 Jahren begannen die ersten Störungen im Leben der friedlichen Urbevölkerung. Weitere Einwanderungswellen erreichten in den folgenden Jahrhunderten die Philippinen.
NEGRITOS (Negerlein) nannten spöttisch die spanischen Eroberer die kleinwüchsigen, kraushaarigen, dunkelhäutigen Ureinwohner, als sie Mitte des 16. Jahrhunderts mit der kolonialen Unterjochung des philippinischen Archipels begannen. Ab 1899 eroberten die USA die Inseln, welche 1946 schließlich unabhängig wurden. Mit dem 20. Jahrhundert vollzog sich auch eine rapide Verschlechterung der Situation der Negritos
– bedingt durch Landnahme, Naturraumzerstörung / Raubbau, Einschleppung von Krankheiten, Vernichtung herkömmlicher sozialer Strukturen, Marginalisierung etc..
Sprachwissenschaftliche Studien ergaben die Existenz von 25 bis 34 Negrito
-Gruppen, die alle der austronesischen Sprachfamilie91 zugehörend, eingestuft wurden. Vier der Sprachen sind bereits ausgestorben und der Rest ist gefährdet (Padilla JR. 2013). Die philippinische National Commission for Culture and the Arts spricht von mindestens 25 Negrito
-Gruppen. Sie umfassen ca. 15.000 (unvermischte?) Personen, die sich folgenden Ethnien zuordnen lassen: Aëta, Agta, Ati, Ata, Atta und Mamanwa bezeichnet werden (es wurde die vorstehende Schreibweise gewählt, da es keine Einheitlichkeit in Schreibweise und Benennung gibt). Ebenfalls werden die durch eine starke Vermischung mit Filipinos gezeichneten Batak der Insel Palawan von Ethnologen den Negritos
zugeordnet. Die Konoy der Insel Palawan sind mittlerweile völlig in der übrigen Bevölkerung aufgegangen (HELLER 1991).
Auf der Insel Negros, die ihren Namen von den Ureinwohnern hat, sind die Ati und Ata fast erloschen. Letztere schätzte Hartmut Heller um 1990 auf vielleicht nur noch 50 Personen. Die Mamanwa von Mindanao, die einst mehrere tausend Individuen zählten, machen heute knapp 250 unvermischte Personen aus. Holzkonzerne und Bombardierungen des Militärs hatten sie aus ihren letzten Refugien im Nordosten der Insel vertrieben. Sie vegetieren am Fuß der Berge auf fremder Leute Land unter miserablen Bedingungen, in steter Begleitung von Hunger, Mangelernährung, Malaria, Darmparasiten, Tuberkulose, Lepra und unhygienischen Lebensbedingungen. Das Ende der Atta (Ita) im Norden von Luzon scheint ebenfalls nicht mehr fern zu sein. Sie leben weit zerstreut, zumeist in Mischlingsfamilien mit Ilocanos, einem Volk das zu den Filipinos zahlt. Es mag noch ca. 30 bis 40 Personen geben, die noch die typischen anthropologischen Merkmale der Negritos zeigen. Hartmut Heller sah nach langem Suchen im Jahr 2000 nur noch ein einziges Atta-Kind, dass kein Mischling war. Selbst für die Agta (einige tausend Personen) sieht es düster aus. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung wurde mit 21 Jahren beziffert. Hinzu kommt, dass sie sehr zerstreut über ein riesiges Territorium von über 800 km Länge im Osten der Insel Luzon wohnen. Zwei ihrer etholinguistischen Subgruppen (Dicamay Agta, Villaviciosa Agta) starben im vergangenen Jahrhundert aus. Drei sind aktuell vom Aussterben bedroht (Camarines Norte Agta, Isarog Agta, Mt. Iraya Agta). Mt. Iriga Agta). Der Stamm der Mt. Iriga Agta steht ebenfalls auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Stämme, obwohl es noch zahlreiche Mitglieder gibt. Somit dürften lediglich die Aëtas des Pinatubo-Berglandes (ca. 10.000 Personen?) eine Chance haben, dieses Jahrhundert zu überleben, sofern die maßgeblichen Ursachen für den Niedergang dieser philippinischen Urbevölkerung ein kurzfristiges Ende finden. Das Spektrum hierfür ist vielfältig (wie oben angeführt) und hat sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts nicht zum Positiven gebessert. Auch hier bleibt deshalb die durchschnittliche Lebenserwartung mit 27 Jahren niedrig. – Wie sollte es auch in unserer zunehmend globalisierten Welt mit ihrer ungebremsten Profitgier.
Die Populationen der philippinischen Negrito
„sind seit den 1900er Jahren vom Kap Engaño im Norden bis nach Surigao und zum Golf von Davao in Mindanao im Süden zurückgegangen, als die erste Schätzung ihrer Anzahl auf etwa 35.000 Individuen festgelegt wurde“ (PADILLA JR. 2013. Für „Gegenwärtig“ gibt PADILLA JR. (2013) eine Population von nur noch „15.000“ an.
Quelle: Wegener, B. (2021): Der Regenwald ist unser Atem – Urvölker Südostasiens zwischen Untergang und Widerstand, Ludwigslust