Die Antwort dazu lautet: Die Stellersche Seekuh (Hydrodamalis gigas), als auch die Alëuten-Sprache oder Unangam Tunuu sind auf den zu Russland gehörenden Kommandeurinseln ausgestorben. Während das Schicksal der nur bei diesen beiden Inseln vorkommenden endemischen Seekuh-Art durch exzessive Jagd bereits 1776 entschieden war, starb mit Gennady Yakovlev am 5. Oktober 2022 der letzte aktive Sprecher der Atka-Dialekgruppe, die eine der beiden Sprachgruppen des Unangam Tunuu ist, aus.

Rückblick: Im subarktischen Gebiet zwischen Asien und Amerika erstreckt wie ein Bogen der Alëuten-Archipel. Wie Trittsteine ragen diese Inseln aus dem Nordpazifik – gleichend einer Verbindungsachse zwischen der alten und der neuen Welt. 1741 geriet die Inselgruppe in den Blickwinkel Europas. Zar Peter hatte die Zweite Kamtschatka-Expedition beauftragt, um das in Karten eingetragene Juan-de-Gama-Land zu finden. Kaum 14 Tage von Kamtschatka abgelegt, verloren sich die beiden Schiffe, die von Vitus Bering bzw. Alexei Tschirikow geführt wurden, aus den Augen. Nebel und Sturm als häufige Wegbegleiter in diesen Gestaden hatten dafür gesorgten, dass von nun an jeder auf sich allein gestellt blieb. Das sagenumwobene Land wurde nicht gefunden, dafür stieß Tschirikow auf eine Insel des Alexander-Archipels vor der Südostküste Alaskas. Die an Land geschickten Erkundungstrupps mit 15 Bootsmännern verschollen dort. Auf der strapaziösen Rückfahrt grassierten Trinkwassermangel und Skorbut, der etliche Todesopfer forderte. Schließlich kam die Aleuten-Insel Adak in Sicht, wo es gelang mit den Indigenen durch Tauschhandel „Messer gegen mit Trinkwasser gefüllte Blasen“ zu bekommen.

Berings Schiffsbesatzung erging es noch schlimmer. Auch hier herrschten Trinkwassernot und Skorbut mit insgesamt 32 Sterbenden, einschließlich Vitus Bering. Vor Bird Island vor der Südwestspitze der Alaska-Halbinsel hatte es den einzigen Blickkontakt mit Gesten einladender Alëuten gegeben. Landgang (und damit Tauschmöglichkeiten) scheiterten jedoch. Kaum weitergesegelt, peitschten Stürme die aufgewühlte See und führten fast zum Kentern. Auf der später nach ihrem verstorbenen Kommandanten benannten Beringinsel, die die westlichste der zum größten Teils unter Wasser liegenden ozeanischen Alëuten-Kommandeur-Gebirgskette ist, zwangen heftige Stürme und Schiffbruch zur Überwinterung. Neun Monate später im August 1742 gelangten die Überlebenden mit reicher Beute an Seeotterfellen und dem Wissen um das Vorkommen der Stellerschen Seekuh (und dessen schmackhaften Fleisch) zurück.

Bei ihrer Entdeckung durch Bering waren die Kommandeursinseln unbesiedelt. 1825 ( Sorokina 2021: 1826) deportierte die Russisch-Amerikanische Kompanie jedoch Ureinwohner von den Aleuten-Inseln Attu und Atka auf die Beringinsel. Ziel war deren brutale Ausnutzung für die Jagd (Otter, Füchse, Robben, …). Ihnen folgten bald darauf russische Zuzügler.

Gruppe von Alëuten-Jägern der Beringinsel Foto: Benedykt Dybowski, 1884-86/ Wikipedia; gemeinfrei

Auf dem Nachbareiland Medny wurde die Siedlung Preobraschendkoje erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit Alëuten von Attu gegründet. 1970 erfolgte die Umsiedlung ihrer Bewohner zur Beringinsel, wo in der einzigen Ortschaft Nikolskolje 654 Einwohner (Zensus 2021) erfasst sind (Wikipedia).

Für 1962 hatte Stegner (1966)[1] in seiner Sprachenübersicht für die damalige Sowjetunion, speziell der Alëuten-Sprache, die dort nur auf den Kommandeurinseln anzutreffen war, als Populationszahl 400 angegeben und für Alaska (1961) 5.000 benannt.

Gegenwärtige Situation: Die Volkszählung 2010 wies für die Region Kamtschatka* (* Bezirk Aleutski = Kommandeurinseln, d. Verf.) 482 Aleut, Unangan aus. Es ist davon auszugehen, dass ein Großteil Mischlinge sind (wenn nicht gar mittlerweile alle). Für Alaska wird eine Zahl von 16.000-20.000 Nachkommen der Alëuten geschätzt. Aktive Unangam Tunuu-Sprecher sind es dort inzwischen weniger als 150.  Folglich ist die Sprache als stark gefährdet eingestuft (Wikipedia). Wenn dem nicht entschieden gegengesteuert wird, ist zu vermuten, dass sich auch auf dem Aleuten Archipel das Drama Sprachensterben – durch die Vorherrschaft des Englischen – demnächst vollzieht.  Auf der Beringinseln ist dieses durch die Dominanz des Russischen erreicht worden, Es hatte die indigene Alltagssprache im Laufe der Zeit völlig verdrängt. Nicht unbeachtlich ist hierbei auch, dass diese kein Schulfach ist. – Ein wenig Hoffnung auf ein Überleben zumindest einiger kultureller Elemente besteht durch Galina Koroljiowa, die zumindest Alëutisch noch versteht. Sie hat eine alëutische Mutter und einen russischen Vater. Sie ist Vorsitzende des Rates der Verwaltung der 300 sich als Alëuten definierenden Einwohner von Nikolskolje. Darüber hinaus leitet sie ein Folkloreensemble mit Kindern, dass sich der Förderung der alëutischen Kultur widmet.  Ihr Ziel ist ebenfalls “dass unsere Kinder zumindest ein paar Worte Alëutisch lernen“ (Sorokina 2021)[2].

Nikolskolje, Kommandeurinseln Foto: Alexander Litsis, 2007/ Wikipedia; gemeinfrei

[1] Die ethnische Zusammensetzung der heutigen Bevölkerung der Erde und ihre Verteilung nach Ländern, in: Völkerkunde für jedermann, Leipzig 1966

[2] Sorokina, A.: Leben am Rande der Welt: Die russischen Aleuten, in: https://de.rbth.com/lifestyle/84722-leben-am-rande-welt-russische-aleute