Einst durchstreiften die Manjui ihr traditionelles Gebiet im Gran Chaco. Durch Kriege und anhaltenden Landraub stehen sie nun am Rand der Auslöschung. Paraguays Institut für Indigene, INDI, sollte sie eigentlich in ihrem Ringen ums Überleben unterstützen – doch das Gegenteil ist der Fall.

Manjui mit Muschelhaarschmuck (hist. Aufnahme)

Südamerikas zweitgrößtes Waldgebiet der Gran Chaco ist ein heißes, halbtrockenes Ökosystem mit Dornbuschwäldern, Gras- und (z. T. nassen) Palmsavannen. Es erstreckt sich von SO-Bolivien durch den Westen Paraguays bis nach Argentinien. Es ist Heimat vieler Indianervölker, darunter die Manjui – eines der 19 indigenen Völker Paraguays. Sieht man von letzten kleinen Gruppen nomadisierender in freiwilliger Isolation lebenden Ayoreos im Grenzraum zu Bolivien ab, sind sie Paraguays gefährdetste Ethnie. Seit dem Chaco Krieg wird ihr Alltag dominiert von totaler staatlicher Vernachlässigung, hoher Armut und anhaltend extremer Kindersterblichkeit, gepaart mit genozidalen Facetten – verursacht durch die Familienplanungspolitik des Gesundheitsministeriums.

Ausbeutung des Landes:

Paraguay ist einer der zehn größten Fleischexporteure der Welt. Das Fleisch stammt zumeist aus dem Chaco. Für die Tiere und ihr Futter brauch man Platz. Im Chaco wurde mit Hilfe der NGO Tierra Libre das „Natur- und Kulturerbegebiet Nivacle und Manjui Pilcomayo“ identifiziert. Es hat eine Fläche von 3.538.011 ha. Im Jahr 2000 betrug die dort entwaldete Fläche 210.236 ha (6 %). 2018 waren es schon 1.323.179 ha (38 %) und für 2030 werden 3.274.990 Hektar (92 %) geschätzt, die dem Groß-Agrobusiness zum Opfer fallen werden.

Die Waldrodungen mit mehr als 2.200 ha pro Tag erreichen `Weltrekordwerte`. Es geht hier, wie im übrigen Chaco, um Land und Profit der Agroindustrie (reiche Paraguayer, Mennoniten (Angehörige einer evangelikalen Freikirche), Ausländer, wie etwa Brasilianer). Mit dem `Wettstreit` auf Land explodieren die Grundstückspreise (>1.000 US$/ha). Indigene, die von ihrem Land vertrieben wurden, sind Alltag. Man sieht sie oft in Asuncion auf Plätzen und Straßen demonstrieren, um ihr Drama sichtbar zu machen, ernten nur Missfallen.

Noch fataler ergeht es den Manjui. Für sie besteht die akute Gefahr, dass sie als eigenständige Ethnie und Sprachgemeinschaft erlöschen. Es gibt nur noch drei Gemeinden, wo sie die Mehrheit in der ethnischen Zusammensetzung bilden: Wonta (Santa Rosa) – gelegen als Einzige im traditionellen Territorium. Außerhalb liegen die Comunidad Manjui de San Agustín (Gebiet Pedro P. Peña) und die städtische landlose Gemeinde Abizais (bei Mariscal). Daneben bestehen Minderheitengruppen in Dörfern des Nivaĉle-Volkes. Auch wenn es in Paraguay noch ca. 900 Manjui gibt, ist bei vielen Jugendlichen ihre Sprache Tsoloti (Mataco-Guaycuru-Sprachfamilie) tot. „Damit es unsere Sprache gibt, muss es unser Stammesland geben“, sagen die Manjui, „denn beides ist eng miteinander verwoben.“ Doch das Land raubte man ihnen…

Kindergruppe in Wonta (Foto: Tierra Libre)

Die Lebensweise ändert sich – erzwungenermaßen:

Ihr historische Lebensraum liegt beiderseits des Flusses (Rio) Pilcomayo in Argentinien, Paraguay und im Bezirk Tarija (Bolivien). Traditionell waren die Manjui in kleinen Familiengruppen organisiert, die lokale Merkmale hatten (u. a. lebten im Haus der Frau) und waren Sammler, Jäger und Fischer. Nomadisierend durchquerten sie große Strecken, um Fischfangplätze zu erreichen. Der Chaco-Busch ergänzte die Nahrungsressourcen, da der praktizierte einfache Gartenbau schwierig war.

1907 drang die bolivianische Armee zum mittleren Rio Pilcomayo vor. Ihnen folgten landaneignende Viehzüchter und ab 1925 Missionen. Während des Chaco Krieges (1932-35) zwischen Bolivien und Paraguay durchdrang das bolivianische Militär gewaltsamen das Land der Manjui mit genozidalen Folgen für diese. Zuden Infektionskrankheiten trugen die Soldaten Infektionskrankheiten in das Gebiet, die viele Indigene dahinrafften.

Neben den bereits angesiedelt lebenden Manjui unter Obhut des Apostolischen Vikariats Pilcomayo in Pedro P. Peña sowie in der Umgebung von Strongest, nomadisierten bis Anfang der 1970er Jahre noch freie Gruppen nördlich von El Carmen und nordwestlich von Mariscal. 1972 (nach andern Quellen 1973) begann die fundamental-evangelikale US-amerikanische Mission „To the New Tribes“ (heute: Ethnos360)mit Kontaktierungen und gründeten die Mission Santa Rosa nordwestlich von Mariscal mit einer ersten Gruppe von 90 Personen. Weitere folgten. Die Mission hatte Land gekauft. Sie begann mit der Christianisierung[1] sowie der Umerziehung zu Bauern, um die Bargeldwirtschaft zu fördern. Der Feldbau scheiterte. Eine kleine Rinderfarm entstand, ohne jedoch die Praxis von Jagd und Sammeln aufzugeben. Das veranlasste die Manjui, weiterhin in Kleingruppen die Region zu durchstreifen.

1999 berichtete die Zeitung ULTIMA HORA, „dass die Manjui in Santa Rosa unter Obhut der amerikanischen Sekte New Tribes Mission infolge von Unterernährung und Krankheiten am Rande des Unterganges stehen.“ 2015 zählte Santa Rosa lt. ULTIMA HORA „etwa 130 Familien, mit etwa 600 Menschen, die von der Regierung fast vergessen sind. Viele der Familien überleben nur mit Hilfe von Ziegen, Schafe und Geflügel. Es gibt zwar Häuser aus Lehmziegeln. Sie dienen jedoch nur für Schafe und Ziegen. Die Familien leben primär unter Zeltplanen unter den Bäumen, wo sich das tägliche und nächtliche Leben abspielt. Vor den Zelten befindet sich ihre Küche und ihr gesamtes Hab und Gut. Es ist nur ein Lehrer dort, dessen Hauptaufgabe es ist, Lesen zu unterrichten. Obwohl sie eine Gesundheitsstation haben, gibt es keine Krankenschwester. Um an Geld zu kommen, arbeiten viele in benachbarten Gebieten.“

Ringen um die Landrechte:

Bis 2018hatten die Manjui keinen Quadratmeter Titel-Land in ihrem traditionellen Gebiet. 2018 gelang es mit Hilfe von Tierra Libre das Land der früheren Mission (12.254 ha) an die aus ethnisch-territorialer Sicht strategisch bedeutendste Gemeinde Wonta (Santa Rosa) zu übertragen. Wonta ist die größte Gemeinde und die einzige, in der die Manjui-Sprache reale Überlebenschancen hat. Für die Manjui ist dies ein enormer Erfolg. Problem ist, dass zuvor ein Viehzüchter illegal 2.554 ha besetzte, Wege und Zäune errichtete und Bäume fällte.

Das schwerwiegendeste Ereignis betrifft jedoch ein angrenzendes Landstück (38.406 ha). Das Paraguayische Indigenen-Institut INDI (Instituto Paraguayo del Indígena) hatte dieses 1998 für die Manjui gekauft, jedoch nie an sie übergeben. In der Nationalen Katasterbehörde (SNC) ist für eine Teilfläche (~15.600 ha, davon 15.353 ha gerodet) eine Privateigentümerin vermerkt. Durch kriminelle Machenschaften wurden Eigentumstitel und Dokumente mit falschen Angaben vorgelegt und 2017 ein Prozess zur faktischen Inbesitznahme durch ein Gericht auf der Grundlage eines falschen Titels erwirkt (Der dafür verantwortliche Richter wurde inzwischen suspendiert). Neben den dort gerodeten Flächen für Rinderbeweidung (= 40 % der Gesamtfläche) hat ein Investor außerdem die Lizenz des Ministeriums für Umwelt und nachhaltige Entwicklung (MADES), Bäume zu fällen und Holzkohle zu erzeugen.

Seit 23 Jahren hat INDI nichts getan, obwohl es als staatliches Schutzorgan Indigener Völker die rechtliche Verpflichtung hat, dass die Manjui den Eigentumstitel für ihr Land erhalten. Trotz Einschaltung der Staatsanwaltschaft, reagiert INDI als Komplize in diesem korrupten Skandal nicht…


[1] Christianisierungsrate: 80 % lt. fundamental-evangelikalem Bekehrungsnetzwerk Joshua Project